Erbauer, Künstler und Wegbegleiter über das kulturelle Kleinod im Landkreis Elbe-Elster.
Text von Frank Claus aus der Lausitzer Rundschau vom 1. Oktober 2019, mit freundlicher Genehmigung des Autors
Heute vor 25 Jahren, am 1. Oktober 1994, erklang zum ersten Mal Musik im Pavillon des Pfarrgartens Saxdorf. Trompeter Johann Plietzsch aus Berlin, Schüler des Dresdner Trompetenvirtuosen Prof. Ludwig Güttler und heute Leiter des Barock-Trompetenensembles Berlin, eröffnete damals einen dreitägigen Musikreigen. Ihm folgten am 2. Oktober „Die Zöllner“ mit einem Funk- und Soul-Programm und am 3. Oktober die Jazzlegende, der Schlagzeuger und Perkussionist Günther Baby Sommer. „Alle drei Konzerte waren ausverkauft“, erinnert sich Karl-Heinz Zahn, der heute 80-jährige Pfarrer im Ruhestand. Gemeinsam mit seinem angetrauten, inzwischen verstorbenen Lebenspartner Hanspeter Bethke, der Maler, Grafiker und Gartenkünstler, hatte sich Karl-Heinz Zahn den „Spleen“ vom Musikpavillon in den Kopf gesetzt.
Kulturamtsleiter Andreas Pöschl erinnert sich: „Es war meine erste Begegnung mit den beiden Männern. Ich hatte 1993, als feststand, dass die bislang eigenständigen Kreise Finsterwalde, Bad Liebenwerda und Herzberg zum Elbe-Elster-Kreis fusionieren würden, einfach mal alle Kulturschaffenden nach Finsterwalde eingeladen. Da kamen die beiden mit einem Modell ihres geplanten Projektes durch die Tür.“ Andreas Pöschl gesteht: „Als ich das damals sah, glaubte ich noch nicht so recht an die Umsetzung.“ Doch er kannte Zahn und Bethke halt nicht. Sie besaßen ein großes Netzwerk zu Kunstfreunden und es war die Zeit unkomplizierter Fördermittelvergaben. Im Sommer 1994 war Grundsteinlegung, im Oktober wurde die Galerie genau an jener Stelle eingeweiht, wo ein verfallener Schuppen und eine Garage neben dem Pfarrhaus den Anblick verschandelten. Andreas Pöschl sagt heute: „Saathain und Saxdorf sind außerhalb der Kantoreien die Treffpunkte für anspruchsvolle, besondere Konzerte.“
Im Jahr 1992 gründete sich der Kunst- und Kultursommer-Verein, wobei Kunst und Kultur schon viel länger das Leben in diesem kleinen Saxdorfer Refugium prägten. Der Verein „wurzelt in den informellen Begegnungen von Künstlern und Musikern in der Vorwendezeit. Unter dem Deckmantel von Gottesdiensten und unter den wachsamen Augen der Staatssicherheit fanden sich in Saxdorf seit den 70er-Jahren Künstler aus der ganzen Republik zu Plainairs zusammen, deren Abschlusskonzerte letztlich in die heutigen Sommermusiken mündeten“, heißt es auf der Internetseite des Vereins.
Saxdorf ist ein besonderer Ort, das sagt Trompeter Johann Plietzsch, der damals mit einer Kammermusikgruppe das erste Konzert spielte. Daran, so gibt er zu, „erinnere ich mich gar nicht mehr ganz so sehr, aber: Saxdorf ist die Zeit meiner musikalischen Jugend und Freiheit“. 1987 habe er nach einem Konzert in Mühlberg Zahn und Bethke kennengelernt, weil seine damalige Freundin zu ihm meinte: „In Saxdorf, da gibt es zwei ,Verrückte’, die musst du mal kennenlernen.“ Die „Verrückten“ wurden für ihn enge Freunde. „Wir haben im Pfarrhaus zu siebent eine Woche auf Feldbetten geschlafen, im Garten und in der Kirche geprobt. Karl-Heiner und Hanspeter haben uns Konzerte in der Region organisiert, und ich fühle es noch heute, wenn ich dorthin fahre: Kurz davor überkommt mich das Saxdorf-Gefühl.“
Auch Stephan Hilsberg, der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär, hat eine bereits längere Beziehung nach Saxdorf, erst recht seitdem er am Klavier selbst konzertiert. Er weiß, Zahn und Bethke „wollten am Anfang nicht, dass der Name ‚Galerie‘ dafür verwendet wird, weil sie dafür keine Fördermittel vom Land bekommen hätten. Dabei ist kein Name geeigneter für dieses architektonische Kleinod als Galerie.“
Stephan Hilsberg ist überzeugt: „Es ist und bleibt das Verdienst der beiden Freunde Zahn und Bethke, mit dem Pfarrgarten und dem Musiksommer Kultur und Kunst in unsere Region um Bad Liebenwerda, später Elbe-Elster, aber eigentlich auch ganz Südbrandenburg gebracht zu haben, die ausstrahlt, weit über Saxdorf hinaus.“ Zahn und Bethke, so sagt er, „war es nicht nur gelungen, ein einzigartiges Ambiente mit Garten, Galerie und Kirche zu schaffen, sie haben auch, was nicht weniger wichtig ist, ein eigenes Publikum dafür gewinnen und dauerhaft an Saxdorf binden können. Ihre Fähigkeit zur Gastgeberschaft ist legendär geworden“.
Saxdorf fehle heute in keinem Kultur- und Kunstkalender Brandenburgs mehr, seine Veranstaltungen seien nach wie vor Highlights. „Der Garten alleine schon, aber auch die gelungene Symbiose mit der Galerie, deren Jubiläum wir jetzt feiern können, haben ein besonderes Alleinstellungsmerkmal gewonnen, das seinesgleichen sucht. Es gibt viele schöne Gärten in Brandenburg und in Deutschland, aber nur wenige, die gleichzeitig zur Bühne für die allerschönsten Konzerte und andere Aufführungen geworden sind.“
Stephan Hilsberg zufolge habe sich der Ruf von Saxdorf schnell herumgesprochen – „Zahn und Bethke hätten wohl zu doppelt so vielen Veranstaltungen einladen können, was sicher die eigenen Kräfte und die der vielen emsigen und treuen Helfer überstiegen hätte.“
Für Pianist Andreas Göbel, im Hauptberuf Musikjournalist bei rbb-Kulturradio, ist Saxdorf „Teil meiner musikalischen Heimat“. Er schätze an Saxdorf die „fast intime Atmosphäre mit der besonderen Nähe zu einem begeisterungsfähigen Publikum“. Er musiziert am 3. Oktober (15 Uhr) zum wiederholten Mal in Saxdorf.