Mechthild Küpper – Das Paradies in Saxdorf

Das Paradies in Saxdorf – Ein reizvoller Pfarrgarten mitten im kargen Brandenburg; von Mechthild Küpper; FAZ Juni 2005

Blick zur Kirche mit blühenden Gehölzen

SAXDORF, im Juni 2005. Die Kirschen reifen, neben der Kirchentür sind schon die winterharten Zitronen zu erkennen, und die Beerenernte verspricht, üppig zu werden. Im Juni ist jeder Garten schön, aber der Saxdorfer Pfarrgarten mit seinen rosenüberwucherten Lauben, efeuumrankten Weidenbäumen und Inseln hoher und biegsamer Bambuspflanzen wirkt im Frühsommer wie ein Paradies auf Erden. Nur 150 Seelen hat der Ort im südlichen Brandenburg nahe Mühlberg und Bad Liebenwerda. Wenn der Maler und Gärtner Hanspeter Bethke und der Pastor Karl-Heinrich Zahn zu Konzerten in die fast 800 Jahre alte Kirche oder den modernen Saal einladen, der fast vollständig überwuchert ist, verliert Saxdorf das Verschlafen eines Provinznestes und wird zum Wallfahrtsort. Und an Wallfahrtsorten geht es kosmopolitisch zu.

Lenzrosen

Dreitausend Pflanzenarten, darunter mehr als 200 herrlich duftende alte Rosensorten, unendlich viele verschiedene Schneeglöckchen und 180 Sorten Kamelien, die im Winter im Gewächshaus stehen, machen Saxdorf zu jeder Jahreszeit für Kenner interessant und Laien verführerisch. Seit dreißig Jahren laden der Pastor und der Gärtner – der auch Restaurator, Grafiker und Maler ist – zu Konzerten ein. Anfang Juni wird ein Rosenfest, im August ein Bambusfest gefeiert. Bethke und Zahn führen ein offenes Haus, von April bis Oktober wird der Garten an drei Tagen pro Woche zum öffentlichen Park. Die Kirche ist alt. Als Karl-Heinrich Zahn 1967 die Pfarrstelle in Saxdorf annahm, richtete er zusammen mit Hanspeter Bethke die jahrzehntelang vernachlässigte Kirche außen und innen wieder her. Bethke, der schon damals über lange Restaurierungserfahrung verfügte, rettete zwei Altarbilder, die als Trittbretter dienten, legte Fresken frei und sanierte den Innenraum des Gotteshauses. Zahn wurde auf DDR-Müllkippen zum Sammler von Sandsteinen, aus denen inzwischen überall im Garten so einiges herauswächst. Auch der Garten war verwaist. Der alte Friedhof mit einigen alten und vielen neuen Gräbern ist längst dem Garten einverleibt worden, dessen 10.000 Quadratmeter im Sommer, wenn alles grün und bunt ist, noch größer wirken als im Winter, wenn mehr Durchblicke und -gänge möglich sind.

Der Saxdorfer Pfarrgarten in seiner heutigen Gestalt ist viel jünger als die vielen Schloßgärten und Parks, die im vergangenen Jahr das Jahresthema des Vereins „Kulturland Brandenburg“ waren. Ein Verein „Gartennetzwerk“ soll den vielen großen und kleinen Parks und Gärten des Landes bei der Existenzsicherung helfen; denn auch in Saxdorf ist keineswegs sicher, wie es einmal weitergeht, wenn der Maler Bethke einmal nicht mehr selbstverständlich um halb sechs Uhr in der Früh zum Wässern aufstehen kann und an heißen Tagen noch einmal mittags und dann noch einmal bis spät in den Abend hinein die Pflanzen gießen mag. Das muß er im Sommer oft, denn es ist trocken im s üdlichen Brandenburg, und der Boden ist sandig. Noch gehören Pastor Zahn, Maler und Gärtner Bethke und der Garten zusammen, doch kann man das längst nicht mehr als Privatvergnügen bezeichnen.

Rosenfest 2011: Hanspeter Bethke, der Schöpfer des Saxdorfer Gartens blumig und gestreift

Im Sommer dreht sich alles um den Garten und die Konzerte, im Winter malt Bethke in einem schönen Raum unterm Dach, von wo aus er einen Überblick über sein Reich genießt. In diesem Sommer bereitet Hanspeter Bethke zwei Ausstellungen zu seinem 70. Geburtstag im Herbst vor. Er läßt über sich sagen, ohne das Gärtnern nicht malen und ohne das Malen nicht gärtnern zu können ; wer die Farbenfreude, die Verspieltheit und den Einfallsreichtum der Bilder sieht, spürt tatsächlich den Garten. Gärtner sind unsentimental und fleißig, sie errichten Gebäude aus Zweigen und Ranken und füllen sie mit Farben, Formen und Gerüchen. Die anderen schwelgen, der Gärtner sieht, was zu tun ist. Solange sie einen Gärtner haben sind Gartenreiche nicht vergänglich, auch wenn die Marder sich in den Hornveilchen wälzen, die Blätter fallen und gelegentlich Pflanzen trotz guter Pflege eingehen.

„Traue nicht dem Ort, an dem kein Unkraut wächst“, liest man am Treppengeländer des Pfarrhauses; das faßt die Lebenseinstellung des Pastors Zahn und des Malers Bethke zusammen. Wie es anfangs war, mag man sich an einem schönen Sommertag nicht allzu detailreich vorstellen. Zum Frauentag am 8. März, erzählen beide mit zärtlichem Amüsement, hätten sie früher die vielen Schneeglöckchen von den Wiesen gepflückt, mit engagierten Gemeindegliedern zu Bukettchen gebunden und frühmorgens auf dem Leipziger Hauptbahnhof verkauft. Frische Blumen waren rar in der DDR. Mit dem Erlös bezahlten sie Künstler, die sie zu Saxdorfer Konzerten engagiert hatten. Eine fast schwarze Clematis hat Bethke „Erinnerung an Wandlitz“ getauft. Wer weiß, daß in Wandlitz die SED-Funktionäre abgeschottet lebten, freut sich an ihr um so mehr.

Gärtner, sagt Bethke, seinen Sammler und Jäger, und er habe beim Umzug aus Halle seinerzeit keineswegs Verwunderung erregt, wenn aus seinen Tüten und Taschen Blumen und Pflanzen herausragten. Er, der es gewohnt war, im Garten üppige Verhältnisse zu bewirtschaften und aus Samenkörnern riesige Bäume zu ziehen – etwa den hohen Mammutbaum -erlebt heute drollige Überraschungen, wenn er etwa aus einem der vielen Kataloge wirklich alles geliefert bekommt, was er vorsorglich bestellt hat.